Zurück zur Übersicht

»Ich war der Bad Cop, Heidi der Good Cop«

SPIEGEL: Sie haben GNTM über viele Staffeln getragen, haben Kritik erlebt und Erfolge. Haben Sie die Show großgemacht oder die Show Sie?

Günther Klum: Beides. Es war eine Win-win-Situation. Ich habe 2005 den ersten Vertrag mit ProSieben ausverhandelt, da wusste noch niemand, wie das Konzept angenommen wird.

SPIEGEL: Sie haben den Erfolg der Show nicht kommen sehen?

Klum: Es hätte auch sein können, dass GNTM nach drei Jahren abgesägt wird. Ich habe mich aber mit ProSieben so geeinigt, dass das für uns finanziell auch okay gewesen wäre. GNTM ist bis heute die erfolgreichste Modelshow Deutschlands. Wer an ihr teilgenommen hat, ob als Juror oder als Kandidatin, wurde berühmt – zumindest meistens.

SPIEGEL: Sie haben damals extra für die Show eine Modelagentur namens OneEins gegründet. Dort kamen die Finalistinnen der Show direkt unter Vertrag.

Klum: Ich habe früh verstanden, dass man die Mädchen nach der Show nicht einfach gehen lassen sollte, sondern dass man sie weiter betreuen und aufbauen muss. Die Erste, die Lena Gercke, kam aus Cloppenburg. Ihre Mutter war Lehrerin. Die wusste überhaupt nichts, die hatte keine Ahnung von der Branche.

SPIEGEL: Die hatten Sie doch auch nicht.

Klum: Das Management eines internationalen Stars ist kein Ausbildungsberuf. Ich bin von Beruf Chemiemeister Chemiefacharbeiter und war 25 Jahre Produktionsleiter bei 4711 - Echt Kölnisch Wasser. Nachdem meine Tochter den Schönheitswettbewerb »Model ´92« bei Thomas Gottschalk gewonnen hatte, habe ich ihr Management übernommen und ihre internationalen Verträge ausgehandelt. Learning by doing.

SPIEGEL: Schauen Sie das Dschungelcamp?

Klum: Nein. Das ist mir alles viel zu trashig. Ich schaue gerne Frühstücksfernsehen und »Bares für Rares« mit Horst Lichter.

SPIEGEL: Dort sorgte Ihre ehemalige Teilnehmerin Tessa Bergmeier gerade erst mit Aussagen über Heidi Klum und Sie für Schlagzeilen.

Klum: Ja, habe ich mitbekommen, wie undankbar. Man kennt diese Frau, wenn überhaupt, ja nur wegen »Germany's Next Topmodel«. Und dann lästert sie Jahre später dort über uns ab.

SPIEGEL: Sie sagte, man habe sie in der Show zu einem Monster gemacht. Über Ihre Tochter Heidi Klum sagt sie, sie sei »eiskalt«, die Mädchen seien ihr egal. »Eigentlich steckt da echt der Teufel hinter.« Sind Sie der Teufel?

Klum: Nein. In diesem Fall nicht, das ging gegen Heidi. Aber was dort gesagt wird, ist Quatsch. Klar waren diese Mädchen manchmal durch den Wind. Die saßen vorher irgendwo an der Mosel und hocken jetzt in einer Villa in Los Angeles. Aber man hat sich immer gut um sie gekümmert, es gibt da Nannys und alles. Nur: Meine Tochter hat vier Kinder, die fährt nach einem langen Drehtag irgendwann nach Hause.

SPIEGEL: Sie verteidigen Ihre Tochter?

Klum: Ich habe 15 Staffeln lang viel abgefangen. Ich war immer der Bad Cop, Heidi der Good Cop. Das ist okay, ich kann einiges ab. Dann spielte ich halt den Buhmann, von dem es hieß, er mache eh nur die Knebelverträge.

SPIEGEL: Waren es Knebelverträge?

Klum: Nein. Die Verträge waren branchenüblich. Die anderen Formate zu dieser Zeit hatten viel schlimmere. Überhaupt wird das alles so wahnsinnig aufgeblasen: Wir haben immer mehr Geld mit der Sendung verdient als mit der Agentur-Provision der Mädchen. OneEins war ja nur eine Nebeneinnahme.

SPIEGEL: Aber eine lukrative. Wie viel Provision haben Sie denn genommen?

Klum: Über Provisionen spricht man nicht.

SPIEGEL: Ihnen ging es aber doch nicht darum, die Kandidatinnen groß zu machen. Ihnen ging es immer nur um Heidi Klum.

Klum: Schon um beides. Wenn es mit den Mädchen gut lief, verdiente ich ja doppelt.

SPIEGEL: Sie gelten in der Branche als »Kettenhund«, als »Schlitzohr«. Sind Sie stolz auf ihr Image?

Klum: Ein bisschen. Ich habe mich zumindest nie über den Tisch ziehen lassen.

SPIEGEL: Schaut man sich an, wer bei Ihnen noch immer unter Vertrag ist, stellt man fest: Es sind nicht die erfolgreichsten Ex-Kandidatinnen. Tut das weh?

Klum: Ja, natürlich. Aber man soll Reisende nicht aufhalten.

SPIEGEL: Viele Teilnehmerinnen sagten später, sie wären unzufrieden gewesen und hätten sich rausgeklagt.

Klum: Niemand hat geklagt, das ist Quatsch. Das schreiben immer die Zeitungen. Wir haben jeder, die mit dem Anwalt kam, sofort gesagt: »Und Tschüss!«

SPIEGEL: Seit 2019 sind Sie nicht mehr Teil von »GNTM«. In den Boulevardmedien stand, Sie hätten sich mit Ihrer Tochter Heidi Klum überworfen.

Klum: Korrekt ist, dass die Senderführung meine Arbeit nicht mehr für wichtig hielt. Die Branche hat sich verändert. Der Sender hat uns auch nie gegen all die Angriffe verteidigt. Manche Mädchen haben haarsträubende Geschichten erzählt, man müsste eigentlich juristisch dagegen vorgehen.

SPIEGEL: ProSieben soll ein Problem mit Ihnen gehabt haben – und Ihre Tochter schlug sich auf die Seite des Senders?

Klum: Ich habe die Veränderung gesehen und sie angenommen. Aber ob die Verträge jetzt noch genauso schön sind? Ob beim Cast noch Dinge verhindert werden, die man nicht machen sollte? Ich bin mir nicht sicher.

SPIEGEL: Haben Sie sich gegen ProSieben gewehrt?

Klum: Ich werde dieses Jahr 78, ich habe viele Kämpfe ausgefochten, aber ich muss nicht mehr immer bis zum Ende kämpfen.

SPIEGEL: Heidi Klum hätte sagen können: Ich mach das nur mit Papa.

Klum: Man muss auch irgendwo verzeihen können.

SPIEGEL: Haben Sie ihr verziehen?

Klum: Sehen Sie irgendwo etwas anderes? Die Entwicklung der Sendung gefällt mir natürlich nicht. Für mich war es immer die Casting-Sendung, die am wenigsten trash-behaftet war. Ich habe damals den Trash verhindert.

SPIEGEL: Wieso gibt es eigentlich kein Model, das sich hinstellt und sagt: »Günther Klum war das Beste, das mir je passiert ist«?

Klum: Das müssen Sie die Mädchen fragen, vielleicht gibt es das irgendwann mal. Wo wären viele Mädchen ohne meine Agentur? Die wären da, wo sie nach anderen Sendungen sind: nirgendwo.

SPIEGEL: Wenn es morgen mit ihnen vorbei wäre: Hätten Sie sich mit Ihrer Tochter ausgesöhnt?

Klum: Da gibt es nichts auszusöhnen.

SPIEGEL: Sie waren nicht bei ihrer Hochzeit mit Tom Kaulitz. Alle Welt schrieb, dass Sie mit ihr gebrochen hätten.

Klum: Wollen Sie die Bilder von meinem kaputten Knie sehen? Da wird Ihnen schlecht. Die Operation war nach 50 Minuten vorbei , aber die Heilung dauerte ein Dreivierteljahr. Es gibt immer noch Tage, da gehe ich wie eine Ente. Das hatte man mir vorher nicht gesagt. Deswegen war ich nicht bei der Hochzeit.

SPIEGEL: Haben Sie sich gefreut für Ihre Tochter?

Klum: Ich habe das ja nicht zum ersten Mal mitgemacht. Heidi hat ihre Hochzeit mit Seal immer wieder zelebriert, auch mal in Mar-a-Lago, in Donald Trumps Resort. Er wollte selbst auch kommen, hat es dann aber nicht geschafft.

SPIEGEL: Sind Sie lieber in Bergisch Gladbach oder in den USA?

Klum: Ich bin lieber hier, in Amerika ist alles unwirklich, oberflächlich und »very nice«. Da ist es mir lieber, jemand wirft mir Knebelverträge vor.

SPIEGEL: Warum gehen Sie eigentlich nicht in den Ruhestand?

Klum: Ich kenne viele, die jünger sind als ich und morgens schon fragen, was es mittags zum Essen gibt. Die sitzen den ganzen Tag nur hinterm Ofen. Ich war jetzt auf genug Beerdigungen, da sind viele, die nicht mehr hell sind in der Birne. Ich muss weitermachen.

SPIEGEL: Die Mädels sind undankbar, die Zeitungen lügen, der Sender ist Trash. Haben Sie denn selbst gar nichts falsch gemacht?

Klum: Bestimmt, niemand macht alles richtig.

SPIEGEL: Was bereuen Sie?

Klum: Da fällt mir nichts ein.

SPIEGEL: Haben Sie Bilanz gezogen, wie viel Sie mit »GNTM« insgesamt verdient haben?

Klum: Nein. Wir haben aber auch viel gespendet. Über sechs Millionen gingen an soziale Zwecke, ans Kinderdorf, an die Feuerwehr. Ein großer Teil davon kam von Zeitungen, die ich wegen Paparazzi-Fotos verklagt habe. Vielleicht wollte ich mein Gewissen beruhigen, ich weiß es nicht. Aber das Bundesverdienstkreuz hat mir bislang noch keiner gegeben.

SPIEGEL: Hätten Sie es denn gerne?

Klum: Nein, erst recht nicht, wenn es mir am Ende nur irgendein Landrat überreicht.